Vom Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman stammt die trockene Feststellung,
man könne einen Sozialstaat haben, man könne auch offene Grenzen haben, aber man
könne nicht beides zugleich haben.
Der verblichene Ökonom beschrieb damit punktgenau jenes Dilemma, an dem sich die
veröffentlichte Meinung und die politische Klasse Europas abarbeiten, seit vor
rund zwei Wochen hunderte Migranten im Mittelmeer ertrunken sind.
Denn all jene, die nun unter dem Eindruck der Tragödie auf See eine großzügigere
Einwanderungspolitik der EU und ihrer Mitglieder fordern und die “Festung Europa”
zu einem Monument der Inhumanität erklären, sind meist auch politische und mediale
Akteure, denen der Sozialstaat nicht sozial genug sein kann.
Damit entsteht aber ein ganz offenkundiges und nicht wegzudefinierendes Dilemma.
Wenn die Zuwanderung aus schwarzafrikanischen Armutszonen (wir reden hier nicht
von syrischen Kriegsflüchtlingen) tatsächlich in signifikantem Ausmaß zunähme,
geriete der ohnehin schon stark beanspruchte und finanziell angeschlagene Sozialstaat
in den meisten Ländern Europas ganz rasch an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit
und bald darüber hinaus.
Würde auch nur ein nennenswerter Teil all jener, die aus Afrika nach Europa wollen,
auch wirklich nach Europa kommen, wäre dies mit Sicherheit das Ende des europäischen
Sozialstaates, wie wir ihn heute kennen.
Akzeptiert man das einfach nicht, weil man glaubt, dass durch bloßes Wünschen
Probleme verschwinden, ist man ein politischer Hasardeur, der letztlich die Geschäfte
rechtsextremistischer Gruppierungen betreibt, die von einer solchen Fehlentwicklung
profitieren. Der Aufstieg der FPÖ in Österreich ist ja teilweise durchaus einem
ähnlichen politischen Versagen geschuldet.
Akzeptiert man hingegen, dass Sozialstaat und offene Grenzen letztlich nicht miteinander
vereinbar sind, ergeben sich daraus leider weitere unangenehme Fragen, um die sich vor
allem die Anhänger stärkerer Migration von Afrika nach Europa bisher gedrückt haben.
Denn dann muss gelten, dass Einwanderung nur kontrolliert, kontingentiert und in legalem
Rahmen stattfinden kann. Nur: Wie viele nehmen wir dann tatsächlich mehr auf als jetzt:
ein paar tausend, hunderttausend, eine Million, noch mehr? Und wo werden sie angesiedelt?
Wer immer die Tore der “Festung Europa” öffnen will, kann das nur redlich argumentieren,
wenn Ross und Reiter beim Namen genannt werden: wie viele und wohin? Wolkig “mehr Humanität”
zu fordern und “tödliche Grenzen” anzuprangern, reicht leider gar nicht aus.
Wer akzeptiert, dass Migration nur einem (wohl eher kleinen) Teil der Migrationswilligen
helfen kann, akzeptiert damit aber implizit, dass es deshalb auch weiterhin illegale
Schlepper, untergehende Boote und ertrinkende Menschen geben wird.
Im besten Fall weniger als jetzt, aber eben nicht gar keine.
Das ist eine sehr unbefriedigende Erkenntnis, aber es ist letzten Endes die bittere Konsequenz
aus dem Faktum, dass offene Grenzen und Sozialstaat eben nicht miteinander vereinbar sein.
Erwachsene Politik wird das auch aussprechen, anstatt vorzugaukeln,
die Logik und die Wirklichkeit irgendwie austricksen zu können.
Von Christian Ortner
Quelle : Journalistenwatch