Ein „Reichsbürger“ streitet mit dem Finanzamt um die Erstattung von Steuerbeträgen
aus Anlass der behaupteten fehlenden Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland
und der behaupteten Nichtigkeit des Umsatzsteuergesetzes.
Das Finanzamt handele ohne Rechtsgrundlage, auch
das angerufene Gericht besitze keine Legitimation.
Der Sachverhalt
Zur Begründung führte der sogenannte „Reichsbürger“ (Kläger) an, die
Organe und Behörden der Bundesrepublik Deutschland seien handlungsunfähig.
Das Grundgesetz (GG) sei nach den Forderungen der Alliierten niemals ratifiziert
worden. Durch die Aufhebung des Art. 23 GG im Zuge der Wiedervereinigung sei das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erloschen.
Das beklagte Finanzamt handle gegenüber dem Kläger ohne Rechtsgrundlage.
Selbst das angerufene Gericht besitze keine Legitimation. Er habe nur
vorsorglich zur Fristwahrung Klage eingereicht, um mit dem Finanzamt
über die Rechtsgrundlagen weiter verhandeln zu können.
Das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (Az. 6 K 134/08)
Die Einwendungen des Klägers sind abwegig, so das Urteil (Az. 6 K 134/08)
des Hessisches Finanzgericht. Es bestehen keine Zweifel, dass das GG auch
nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland noch
fortbesteht und als solches Grundlage für die Verabschiedung von Steuergesetzen
sein kann (BFH vom 28.04.2010 – VI B 167/09, BStBl. II 2010, 747).
Nichts anderes gilt hinsichtlich der sonstigen vom Kläger vorgebrachten
Einwände gegen die Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland.
Es ist zwar zutreffend, dass das Deutsche Reich weder mit der Kapitulation im
Jahre 1945 noch aus Anlass der Ausübung fremder Staatsgewalt durch die Alliierten
untergegangen ist. Das Deutsche Reich besitzt Rechtsfähigkeit, ist allerdings als
Gesamtstaat mangels Organisation nicht handlungsfähig.
Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht „Rechtsnachfolger“ des deutschen Reiches, s
ondern als Staat mit dem im Jahre 1871 gegründeten deutschen Staat identisch bzw.
(in Hinblick auf die räumliche Ausdehnung) teilidentisch (BVerfG vom 31.07.1973 –
2 BvF 1/73, BVerfGE 36, 1). An dieser Subjektidentität hat sich durch das
Inkrafttreten des GG nichts geändert.
Diese ist vielmehr durch das Festhalten an der deutschen Staatsangehörigkeit
(Art. 116 GG) und der damit verbundenen Identität des Staatsvolkes als
Grundentscheidung des Parlamentarischen Rates dokumentiert worden
(BVerfG vom 21.10.1987 – 2 BvR 373/83, BVerfGE 77, 137 unter C. I. 3. b.).
Selbst im Falle der Annahme der behaupteten „Legitimationslücke“ seitens des
Verfassungsgebers bzw. des Fehlens eines plebiszitären Legitimationsaktes
könnte dies nicht zur Folge haben, bis zum Ergehen eines solchen Legitimationsaktes
die tatsächliche Staatspraxis des Erlasses von Gesetzen auf der Grundlage des GG
außer Acht zu lassen und auf deren Grundlage erlassene Vollzugsakte als
rechtswidrig zu verwerfen (BFH vom 21.02.2002 – VII B 281/01, BFH/NV 2002,
952; BFH vom 28.04.2010 – VI B 167/09, BStBl. II 2010, 747).
Das Umsatzsteuergesetz als solches ist auch nicht aus anderen Gründen nichtig.
Es kann insbesondere dahinstehen, ob Teile des Umsatzsteuergesetzes (z. B. § 27b UStG)
gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, da dieser Umstand
noch nicht zur Nichtigkeit des gesamten Gesetzes führen würde
(BFH vom 09.01.2009 – V B 23/08, BFH/NV 2009, 801).
Anzumerken ist, dass der Kläger nicht zum Termin erschienen ist. Die Einwendungen
des Klägers zur Befangenheit sämtlicher Spruchkörper des Hessischen Finanzgerichts
waren rechtsmissbräuchlich und als Ablehnungsgesuch unzulässig.
Gericht :
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 22.09.2010 – 6 K 134/08
Quelle : Rechtsindex